Germanismen haben in den Sprachen des ehemaligen Jugoslawiens eine lange Tradition. Aufgrund geografischer und historischer Gegebenheiten finden sich jedoch besonders im Kroatischen eine Vielzahl deutscher bzw. österreichischer Lehnwörter wieder, die sich über Jahrhunderte hinweg behauptet haben und aus dem kroatischen Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken sind.
Es wird davon ausgegangen, dass einige Germanismen bereits vor der slawischen Besiedelung des Balkans durch Auseinandersetzungen zwischen Slawen und Germanen Eingang in die kroatische Sprache gefunden haben. Der größte Austausch dieser beiden Sprachen und Kulturkreise fand jedoch im 16. Jahrhundert mit der Schaffung der Militärgrenze (Vojna krajina) auf dem Balkan statt, dem militärischen Grenzgebiet, das das Habsburger Reich als Bollwerk gegen die vorrückenden Osmanen errichtete. Das Ende der Personalunion mit Ungarn und der damit einhergehende Anschluss Kroatiens an die Habsburger Monarchie markiert den Startpunkt der Ausbreitung der deutschen Sprache auf dem Balkan für über mehr als 400 Jahre. Im Kampf gegen die Osmanen wurden viele deutschsprachige Soldaten in ebenjene Militärgrenze abbestellt. Auf dem Gebiet des heutigen Kroatiens wurde Deutsch zur Amtssprache; es wurden deutsche Schulen gegründet und viele Familien zogen während der Regierungszeit der Habsburger Königin Maria Theresia und ihres Sohnes Josef II aus deutschsprachigen Gebieten auf den Balkan. Die meisten ließen sich entlang der Donau nieder und wurden fortan als „Donauschwaben“ (Podunavski Švabe) bezeichnet. Im 18. und 19. Jahrhundert sprach der Adel in Europa vornehmlich Französisch – in Kroatien sprach er Deutsch. Theaterstücke wurden ausschließlich auf Deutsch aufgeführt, Bücher auf Deutsch verfasst und Festakte auf Deutsch gehalten. Kroatisch wurde nur von der einfachen Bevölkerung gesprochen. Die Vorherrschaft der deutschen Sprache in Kroatien ging schließlich so weit, dass zwischen 1849 und 1869 der Schulunterricht ausschließlich auf Deutsch abgehalten wurde. Selbst mit der Illyrischen Bewegung (ilirski pokret), der Unabhängigkeit des kroatischen Königreichs und den Bemühungen, die kroatische Identität mithilfe einer vereinenden kroatischen Sprache zu fördern, waren die Einflüsse deutscher Begriffe im Kroatischen nicht mehr wegzudenken. Auch im 20. Jahrhundert war Deutsch die meistgewählte Fremdsprache an kroatischen Schulen, gefolgt von Französisch und Englisch.
Die Geschichte deutscher Lehnwörter im kroatischen Sprachgebrauch reicht somit viele Jahrhunderte zurück und ist durch unterschiedliche historische Entwicklungen auf dem gesamten Balkan begründet. Es gibt jedoch auch einige Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die dazu führten, dass die Bande zwischen der deutschen und kroatischen Sprache gestärkt wurden. Dazu zählen unter anderem die sog. „Gastarbeiterwellen“ der sechziger und siebziger Jahre. In dieser Zeit suchte besonders Deutschland händeringend nach Arbeitnehmern und schloss 1968 ein Anwerbeabkommen mit Jugoslawien. Daraufhin folgten Hunderttausende Jugoslawen dem Ruf Deutschlands, um vorübergehend dort zu arbeiten – der Großteil der Gastarbeiter blieb jedoch mit ihren Familien. Die Nachkommen, die entweder im deutschsprachigen Ausland geboren worden oder als Kinder mit ihrer Familie hinterhergezogen waren, wuchsen zweisprachig auf und bereicherten ihre Muttersprache mit Germanismen. Der Sprachgebrauch der kroatischen Diaspora in Deutschland beeinflusste zwangsläufig auch die Sprache in der kroatischen Heimat. Ein weiteres Ereignis, das die Länder des ehemaligen Jugoslawiens nachhaltig prägt und zu einer weiteren Verschmelzung zwischen Deutschland und dem Balkan geführt hat, sind die Jugoslawienkriege der 1990er Jahre, während derer mehr als eine halbe Millionen Kriegsflüchtlinge in Deutschland aufgenommen wurden.
Es ist somit nicht weiter verwunderlich, dass es selbst heutzutage noch eine Vielzahl von Germanismen gibt, die vornehmlich in der kroatischen Umgangssprache ihren Einsatz finden. Für viele dieser Germanismen wurden im Laufe der Zeit kroatische Pendants gefunden – dies gilt nicht nur für Germanismen, sondern auch für Turzismen, Gallizismen und Anglizismen. Die kroatische Literaturzeitschrift Jezik veranstaltet jährlich einen Wettbewerb, an dem alle Bürger Kroatiens teilnehmen und sich für ein Fremdwort eine neue, kroatische Version ausdenken können. Ausgezeichnet werden die drei kreativsten Neologismen, die außerdem das Potenzial haben, sich im allgemeinen Sprachgebrauch durchzusetzen. Im Jahr 2020 ergatterte der Begriff dišnik (disati = atmen) den ersten Platz als Pendant für respirator (Beatmungsgerät).
Aber welche Germanismen werden heute noch im Kroatischen verwendet?
Hier ein kleiner Einblick:
Auch wenn für einen Großteil der Lehnwörter kroatische Entsprechungen existieren, werden diese jedoch kaum verwendet. Kroatien verfolgt eine aktive Sprachgebungspolitik und versucht durch das Entfernen von Fremdwörtern, die kroatische Sprache vor äußeren Einflüssen „zu bewahren“ (sog. Sprachpurismus). Da die Sprache direkt mit dem Nationalgefühl und der kroatischen Identität verbunden ist, kommt dem „Schutz der Sprachreinheit“ eine große Bedeutung zu. Dennoch können all diese Bemühungen nicht vermeiden, dass der Balkan als kultureller Schmelztiegel Europas seine Spuren in der kroatischen Sprache hinterlassen hat – und das ist auch gut so. Die kroatische Sprache ist ein lebendes Zeugnis der Geschichte und des Austausches der Region. Germanismen bzw. Lehnbegriffe im Allgemeinen sollten nicht als Fremdkörper, sondern als sprachliche Bereicherung angesehen werden.
Quellen:
- Arbutina, Zoran (2013): Jugoslawische Gastarbeiter in Deutschland. (22.06.2021)
- Geiger, Valdimir (1991): Nijemci u Hrvatskoj. In: Migracijske i etničke teme, 7 (3-4), 319-334 (22.06.2021).
- Gvozdanović, Jadranka/Petrak, Iva (2018): Sprachpurismus und Sprachkritik im Kroatischen. In: Felder, Ekkerhard et al. (Hrsg.): Handbuch Europäische Sprachkritik Online (HESO). Heidelberg: Heidelberg University Publishing, 127-136.
- Stojić, Aneta (2008): Njemačke posuđenice i hrvatski ekvivalenti. In: Rasprave: Časopis Instituta za hrvatski jezik i jezikoslovlje, 34 (1), 357-369.
- Trinjastić, Maja/Kolar Ištuk, Ana (2016): Germanizmi u hrvatskom jeziku. (22.06.2021)
- Trost, Gabriele/Linde, Malte (2016): Deutsche Geschichte. Gastarbeiter. (22.06.2021)
- Zajović, Milena (2021): Dišnik, kihobran i rukozborac najbolje su nove riječi. (22.06.2021)
- Ziegler, Philip (2016): Was wurde aus den Flüchtlingen der Neunziger? (22.06.2021)
Ich bin Konferenzdolmetscherin für die Sprachen Deutsch (A), Englisch (B) sowie Spanisch und Kroatisch (C) mit Berufswohnsitz Bonn. Seit 2020 bin ich Mitglied im Verband der Konferenzdolmetscher im BDÜ e. V. und bin für meine Kunden deutschland- und europaweit in den unterschiedlichsten Fachbereichen im Einsatz.
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