Kabinengeflüster: Dolmetschen im Schichtdienst

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09. September 2021

Warum Dolmetschen?

Als ich mich während meines letzten Schuljahres nach einem Studiengang umschaute, waren meine Vorstellungen ungefähr so präzise wie die Schlagworte, die ich in einschlägige Suchmaschinen eintippte: „Studium + Sprachen“. Nachdem ich mich für den Studiengang eingeschrieben hatte, der mir die Maximaldosis „Sprachen“ zu enthalten schien, dämmerte mir der Unterschied zwischen Dolmetschen und Übersetzen dann tatsächlich erst in der Erstiwoche – weshalb ich auch heute noch größtes Verständnis habe, wenn meine Kunden sich dieser Feinheit nicht bewusst sind. Anna erklärt es für alle Fälle auch hier ganz wunderbar.

Da das Studium, mehr noch, der Beruf Konferenzdolmetscher neben den Sprachen noch viel mehr zu bieten hat (um nur einige zu nennen: täglich neue, aber auch liebgewonnene Stammkunden, die Möglichkeit, sich in die unterschiedlichsten Themenbereiche und Fachgebiete einzuarbeiten und eine Woche später (beinahe) wieder zu vergessen oder auch die mit der Selbstständigkeit verbundenen Freiheiten und Pflichten), bleibt er bis heute (m)ein Traumberuf.

Außergewöhnlichster Einsatz

Als denkwürdig möchte ich einen Einsatz bei einem Automobilzulieferer bezeichnen, der nicht etwa für eine Tagung oder Verhandlung Dolmetscher:innen benötigte, wie man das wohl erwarten könnte. Stattdessen durfte ein großes Team für drei Sprachen die laufende Produktion mehrere Wochen lang begleiten – und das rund um die Uhr. So kam ich zu meinen ersten Früh-, Spät und gar Nachtschichten als Dolmetscherin, ein seltenes Vergnügen!

Im Gedächtnis blieb mir die Zeit zum einen, weil es immer etwas Besonderes ist, wenn man durch einen wiederkehrenden Auftrag beim Kunden Teil des Teams wird. Eine solch enge Beziehung baut man entweder durch eine regelmäßige Zusammenarbeit über Jahre auf oder aber – wie in diesem Fall – indem man den Kunden mehrere Wochen am Stück unterstützt. In dieser Zeit lernt man nicht nur, welche Fachtermini und Abkürzungen zentral sind, sondern versteht auch die Abläufe und Prozesse im Unternehmen besser. Dieses Wissen können wir Dolmetscher:innen dann nutzen, um das Gesagte genau so in die andere Sprache zu übertragen, wie es gemeint war.

Den Einsatz habe ich zum anderen in guter Erinnerung, weil ich es immer spannend finde, das klassische Konferenz- und Sitzungsformat zu verlassen und beispielsweise bei Betriebsbesichtigungen oder technischen Schulungen gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen zu erfahren, dass die „sondage carotté“ nichts mit Möhren zu tun hat und dass sich bei einer Katzfahrt keineswegs das Haustier ins Industrieunternehmen verirrt hat.

Schließlich ist die Arbeit in einem größeren Team, das man für die lückenlose Begleitung zu jeder Tages-/Nacht- wie Wochenendzeit braucht, auch immer eine wunderbare Gelegenheit, neue Kolleg:innen kennen zu lernen. Darunter war in diesem Fall auch meine spätere Mentee, eine junge Kollegin also, die ich im Rahmen des Nachwuchsprogramms (NWP) des deutschen Berufsverbands der Konferenzdolmetscher VKD zwei Jahre lang begleitet habe. Die Chemie zwischen uns stimmte schon bei der ersten „Schichtübergabe“ und so konnte ich mir gut vorstellen, ihr beim Berufseinstieg als selbstständige Dolmetscherin mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Herzensangelegenheit

Genau diese Nachwuchsförderung liegt mir sehr am Herzen, da auch mir in meinen ersten Jahren nach dem Master-Abschluss jeder kollegiale Rat und die wertvollen Tipps meiner Mentorin geholfen haben. Als Mentorin habe ich dank meiner Mentee und dem Austausch mit den anderen Kolleg:innen im NWP selbst viel dazugelernt. Ich bin daher davon überzeugt, dass es uns als Unternehmer:innen nur voranbringen kann, wenn wir noch enger zusammenstehen. Und von einem nach dynamischen und in sich gut vernetzten Berufsstand profitieren letztlich auch unsere Kund:innen.

Autorin
Sandra Götz

Sandra Götz ist seit 2011 freiberufliche Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin für Deutsch (A) und Französisch (B). Sie behält auch dann einen kühlen Kopf, wenn es Abkürzungen hagelt und die Materie hochkomplex ist.

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