Kabinengeflüster: Zeitzeugengespräche - ein Dolmetschdienst an der Menschheit

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14. Oktober 2021

Warum Dolmetschen?

Bereits als Kind fand ich es gar nicht so einfach, meinen Hamburger Schulfreundinnen von meinen Ferien bei meinen Großeltern in Prag zu erzählen. Meine Oma hat eine leckere Svíčková gekocht, aber in dem Lendenbraten stecken keine Kerzen, auch wenn die Kerze in dem Namen steckt (Svíčka ist das tschechische Wort für Kerze). Irgendwie war mir schon als Kind klar, dass mir die Sprach- und Kulturmittlung wichtig ist. Später habe ich meinem Opa bei der Übersetzung von Zeitzeugengesprächen geholfen und ich war mittendrin in den deutsch-tschechischen Beziehungen. Wahrscheinlich erkannten meine Eltern schon sehr schnell, dass mir Sprachen wirklich besser liegen als viele andere Fächer und so ging ich auf ein bilinguales Gymnasium in Hamburg und meine Liebe für die englische Sprache kam noch dazu. Und somit war es irgendwie klar. Ich werde Dolmetscherin :)

Außergewöhnlichster Einsatz

Ist nicht jeder Einsatz etwas Besonderes? Ich freue mich, wenn ich sprachlich dabei unterstützen kann, dass ein Obdachloser seine ärztliche Behandlung bekommt, wenn bei einer internationalen Jugendbegegnung richtig gute Stimmung herrscht und die Jugendlichen dabei noch ein paar Worte aus der anderen Sprache lernen, wenn ich einen Dichter dolmetsche, der von seinen Interpretationen seiner Gedichte spricht, auch wenn das manchmal eine ganz schön harte Nuss sein kann. Besonders finde ich aber auch das Dolmetschen von Zeitzeugengesprächen aus dem Nationalsozialismus oder anderen Diktaturen. Solche Gespräche bedürfen immer sehr viel Einfühlsamkeit und sind gleichzeitig besonders wichtig und lehrreich. Manchmal gehen diese Gespräche auch ganz schön unter die Haut und trotzdem muss man Ruhe bewahren… Viel Spaß und Freude hatte ich aber zum Beispiel auch bei einem Gastland-Auftritt auf einer Buchmesse und ich bin mir sicher, dass uns noch so einige außergewöhnliche Einsätze erwarten!

Herzensangelegenheit

Vor allem angehenden Dolmetscher*innen möchte ich raten, dass sie sich nicht unterkriegen lassen sollten und erfahrene Kolleg:innen um Rat bitten sollen und dass man auch aus Fehlern lernen kann.

Dolmetschen ist auf jeden Fall Teamarbeit. Es gibt nichts schöneres, als bei einer mehrsprachigen Veranstaltung mit mehreren Kabinen zu arbeiten. Vor allem ist es aber wichtig, ein gutes Netzwerk zu haben, sich mit erfahrenen, aber auch jüngeren Kolleg*innen auszutauschen, denn jeder und jede bringt etwas Neues mit und von allen können wir etwas lernen!

Autorin
Bianca Lipanská

Bianca Lipanská hat an der Universität Leipzig und Karlsuniversität Prag Übersetzen (Diplom-Übersetzerin) und Konferenzdolmetschen (EMCI) studiert. Dazu ist sie staatlich geprüfte Dolmetscherin und beeidigte Dolmetscherin und Übersetzerin.

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